Beim Diözesantag Ende November 2006 habe ich im Blick auf die verschiedenen anstehenden Aufgaben als Ziel formuliert: „Aus Betroffenen müssen Beteiligte werden.“ Das gilt ganz besonders für den Prozess „Erneuern und Sparen“, der nach wie vor eine Langzeitaufgabe darstellt. Nur wenn es immer wieder gelingt, die notwendigen Veränderungen als Gemeinschaftsaufgabe anzugehen und nicht als unabwendbare Einschnitte in das bisher Gewohnte einfach passiv hinzunehmen, besteht die Chance einer wirklichen Erneuerung. Ich will mit diesem Bericht aus Anlass der Vorstellung des Bistumshaushaltes 2007 an meine Ausführungen vom vergangenen Jahr anknüpfen, in denen ich die Aufgabe der Prioritätenkommission und bisherige Schwerpunkte ihrer Arbeit näher erläutert habe. Seither hat diese Arbeitsgruppe siebenmal getagt; aus den Beratungen möchte ich drei Bereiche herausgreifen.
1. Der demographische Wandel
Die demographische Entwicklung stellt zusammen mit den Kirchenaustritten alle deutschen Diözesen vor große konzeptionelle und finanzielle Herausforderungen. Für das Bistum Würzburg stellt sich die Entwicklung so dar: Lebten in ihm 1992 noch knapp 916.000 Katholiken, waren es 2002 schon nur noch etwa 881.000. Im vergangenen Jahr sank die Zahl auf 860.000; 2020 wird sie voraussichtlich bei nicht mehr als 750.000 liegen. Da die steuerpolitische Tendenz verstärkt zur indirekten Besteuerung geht, hat die demographische Entwicklung in Verbindung damit sowie mit der veränderten Altersstruktur (weniger Lohn- und Einkommensteuerzahler) gravierende Folgen für das Kirchensteueraufkommen, das nach wie vor die entscheidende Grundlage für die finanziellen Möglichkeiten der Kirche darstellt. Daran ändern auch „Zwischenhochs“ wie im vergangenen Jahr, als es im Vergleich zu ersten Schätzungen 3,7 Millionen Euro Mehreinnahmen im Bistum gab, nichts Wesentliches. Natürlich ist mit dem nahe liegenden Einwand zu rechnen, weniger Katholiken würden weniger pastoralen Aufwand und damit auch weniger finanzielle Belastungen mit sich bringen. Eine solche Rechnung ist falsch, weil sie zu kurz greift und Wichtiges außer Acht lässt: Denn kirchliches Handeln lässt sich weder bloß von der absoluten Katholikenzahl ableiten noch einfach als flächendeckende Pastoral konzipieren. Es erstreckt sich gerade in den letzten Jahrzehnten – bedingt durch neue gesellschaftliche Herausforderungen – zunehmend auf ganz unterschiedliche Einzelpersonen und Gruppen. Die damit verbundenen Begleitungsformen sind sehr personal- und damit kostenintensiv, weil sie nicht einfach von Ehrenamtlichen wahrgenommen werden können. Deren Einsatz ist zwar für das kirchliche Leben immens wichtig, kommt aber bei veränderten Anforderungen im territorialen wie im kategorialen Bereich an seine innere Grenze. Damit uns die geschilderte demographische Entwicklung nicht in ein nur schwer abbaubares finanzielles Strukturdefizit führt, müssen die ständig steigenden Personalkosten an die sinkenden Einnahmen angepasst werden. Ich habe bereits früher (nämlich in meinem Brief an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bistums im Mai 2003) als Ziel formuliert, im Personal- und Sachkostenbereich innerhalb von zwei Jahren eine Reduzierung um zehn Prozent zu erreichen, ohne deshalb betriebsbedingte Kündigungen vornehmen zu müssen. Ich muss ehrlich eingestehen, dass der Zeitraum für dieses Ziel zu knapp bemessen war. Mittelfristig wird jedoch die verstärkt in Anspruch genommene und bisher noch mögliche Altersteilzeitregelung sowie das Zusammenlegen von Arbeitsbereichen eine spürbare Auswirkung haben. Doch sind nicht auch verstärkt strukturelle Maßnahmen angesichts der veränderten Situation nötig?
2. Seelsorge mit Gesicht
Bei allen Bemühungen um die kirchlichen Grunddienste von Verkündigung, Liturgie und Diakonie gilt als Anspruch, eine „Seelsorge mit Gesicht“ zu gewährleisten. Dies bedeutet für unser Bistum mit seiner vorwiegend ländlichen Struktur, dass sich ein simpler „Rückzug aus der Fläche“, wie er manchmal als Radikalrezept propagiert wird, von selbst verbietet. Territoriale und kategoriale Pastoral müssen einander stets ergänzen, aber dies geschieht unter veränderten Bedingungen. Die Bildung der Pfarreiengemeinschaften, für die unser Bischof im September Richtlinien erlassen hat, ist ein Versuch, den gewandelten Voraussetzungen Rechnung zu tragen und neue Perspektiven zu eröffnen. Es wäre nämlich eine verkürzte Sicht, wenn man diesen Schritt nur als Reaktion auf den gewiss gravierenden Priestermangel verstehen würde. Man muss vielmehr sehen, dass das gesellschaftliche wie das kirchliche Leben insgesamt flexibler und vielschichtiger geworden ist: Es entstehen größere Lebensräume durch zunehmende Mobilität bei einer gleichzeitigen Ausdifferenzierung des Arbeits- und Freizeitverhaltens. Auch die Weitergabe des Glaubens muss diesen Veränderungen Rechnung tragen; die Bildung der Pfarreiengemeinschaften ist deshalb primär als Versuch zu sehen, durch Koordination der Kräfte und mit neuen Formen der Kooperation flexiblere pastorale Präsenz zu gewährleisten. „Seelsorge mit Gesicht“ wird daraus freilich nur dann, wenn der Verantwortungsbereich aller in der Pastoral Tätigen noch besser aufeinander abgestimmt wird. Dabei ist zusammen mit dem ehrenamtlichen Engagement vieler Frauen und Männer ein gutes Miteinander der pastoralen Berufsgruppen – Priester, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferentinnen und -referenten sowie der Kräfte im Religionsunterricht – eine wichtige Voraussetzung. Wir waren uns in der Prioritätenkommission einig, dass die Vielfalt der kirchlichen Ämter und Dienste erhalten bleiben soll, auch wenn Einschränkungen unumgänglich sind. Diese Reduzierung soll bei den hauptberuflich in der Pastoral tätigen Laien jedoch nicht mehr als zehn Prozent betragen. Der Allgemeine Geistliche Rat hat bei seiner Klausurtagung in dieser Woche ein differenziertes Anstellungsverfahren festgelegt: im Jahr 2007 sind drei Vollstellen, im Jahr 2008 zwei Vollstellen, 2009 und 2010 je eine Vollstelle für Pastoralreferenten vorgesehen. Im gleichen Zeitraum (2007 bis 2010) werden jährlich vier Gemeindereferenten und ein hauptberuflicher Ständiger Diakon angestellt. Damit soll auch in Zukunft ein kontinuierliches Miteinander dieser Dienste gerade im Blick auf die Entwicklung der Pfarreiengemeinschaften gesichert werden. An einen Abbau einzelner Berufsgruppen (wie in manchen anderen Bistümern) ist nicht gedacht, allerdings ist mittel- und langfristig das Besoldungsgefälle vor allem zwischen Pastoral- und Gemeindereferenten zu überprüfen; damit stellt sich die Frage, ob in Zukunft die Bezahlung unbedingt ausbildungsbezogen erfolgen muss oder nicht tätigkeitsbezogen konzipiert werden kann. Solche Fragen lassen sich allerdings nur auf überdiözesaner Ebene lösen.
3. Pastoral der Zwischenräume
Ein Schlagwort, das bei den Treffen der Prioritätenkommission immer wieder auftauchte, hieß: „Pastoral der Zwischenräume“. Gemeint ist damit eine flexible Verbindung von territorialer und kategorialer Seelsorge, welche der zunehmenden Mobilität Rechnung trägt. So sollen bei der Fortschreibung des Pastoral- und Strukturplans verstärkt kategoriale Stellen an die Pfarreiengemeinschaften angebunden werden. In der Jugendarbeit – um nur ein Beispiel zu nennen – ist eine entsprechende Entwicklung dadurch in Gang gekommen, dass man auf Doppelbesetzungen im Regional- und Dekanatsbereich verzichtet. Auf Bistumsebene wurde von der Prioritätenkommission die Bildung sogenannter „Kompetenzzentren“ ins Auge gefasst; eine Bündelung der manchmal doch recht unverbundenen und gleichzeitig sehr kostenintensiven Aktivitäten verschiedener Träger in den Seelsorgsbereichen Ehe und Familie, Gesellschaft und Soziales, Jugend, Frauen und Männer, Senioren, Ländlicher Raum sowie Bildung und Freizeit. Hierzu hat die Hauptabteilung Seelsorge schon wichtige Anstöße gegeben. Neben einer personellen Konzentration könnten solche Kompetenzzentren zu einer klareren Struktur der verschiedenen pastoralen Aktivitäten führen, wie zum Beispiel die Überlegungen zur „Seelsorge im ländlichen Raum“ zeigen. Hier ist bereits eine sinnvolle Bündelung der Kräfte im Gange. Natürlich überschneiden sich die einzelnen Bereiche immer wieder; dennoch erscheint im Blick auf die angestrebten Synergieeffekte die grundsätzliche Richtung sinnvoll zu sein. Zu klären ist dabei vor allem, welchen Beitrag die einzelnen kirchlichen Verbände in solchen Kompetenzzentren erbringen können und wo eventuell in diesem Zusammenhang Parallelstrukturen abzubauen sind. Im Blick auf die Pfarreiengemeinschaften sollen solche Kompetenzzentren vornehmlich subsidiär mit solchen Angeboten tätig sein, mit denen die Gemeinden selbst überfordert sind. Auch hier geht es um neue Formen des Miteinanders; so wichtig und bereichernd eine gewachsene Vielfalt von lokalen und kategorialen Initiativen auch ist, darf sie doch nicht zu einem Ghettodenken führen, in dem einzelne Gruppen und Organisationen nur ihren Beitrag und die eigene Bedeutung sehen. Ich nehme aber durchaus hoffnungsvolle Ansätze zu einer neuen Offenheit wahr und möchte in diesem Zusammenhang allen danken, die sich auf diesen notwendigen Veränderungsprozess nicht nur einlassen, sondern ihn aus dem Glauben heraus aktiv mitgestalten. Das Wesentliche wird nur bewahrt, wenn es sich in veränderten Situationen und auf neuen Wegen bewährt. Anders geht es nicht.
Schlussbemerkungen
Mit diesem kleinen „Werkstatteinblick“ in die Arbeit der Prioritätenkommission im vergangenen Jahr ist natürlich nur ein Teil der insgesamt anstehenden Aufgaben im Bistum umrissen; es handelt sich jedoch um wichtige Schwerpunkte, die eine gute Kooperation aller Beteiligten und eine permanente Abstimmung der pastoralen, personellen und finanziellen Gesichtspunkte aufeinander fordern. Für die Bereitschaft zu solchen „Entscheidungen mit Augenmaß“ will ich den Verantwortlichen in den entsprechenden Bereichen auf Bistumsebene herzlich danken, wobei ich die Mitarbeitervertretung, die auch in der Prioritätenkommission vertreten ist, ausdrücklich erwähne. Nachdem zu Jahresbeginn die neu gewählten Kirchenverwaltungen in den Pfarreien ihre Arbeit aufgenommen haben, ist es mir ein Anliegen, ebenso all den Frauen und Männern zu danken, die sich in diesem wichtigen Bereich an der „Schnittstelle von Glaube und Geld“ engagieren. Als Hilfe der Diözese für neue Wege vor Ort wurde das zunächst zeitlich befristete Projekt einer „Fundraising-Stelle“ eingerichtet, die den vor Ort Tätigen dabei helfen soll, in einer Zeit knapper werdender Mittel neue Ressourcen zu erschließen. In all dem ist zu sehen, dass die angedachten Maßnahmen kein Selbstzweck sind, sondern bei dem Versuch helfen sollen, den christlichen Glauben auch unter veränderten Bedingungen verantwortet zu bezeugen. Wie im vergangenen Jahr lade ich wieder alle Interessierten ein, sich zu diesem Zwischenbericht zu äußern. Auch wenn Antworten nicht in jedem Einzelfall möglich sind, werden die eingehenden Stellungnahmen aufmerksam registriert. Gerade nachdem wir vor kurzem an die bleibenden Impulse unseres Diözesanprojekts „Wege suchen im Gespräch“ erinnert haben, ist mir dieser Austausch wichtig.
Mitglieder der Prioritätenkommission:
Leitung: Dr. Karl Hillenbrand, Generalvikar
Dr. Adolf Bauer, Finanzdirektor
Norbert Baumann, Schweinfurt
Karl-Peter Büttner, Vorsitzender des Diözesanrats
Dr. Heinz Geist, Domkapitular
Hans Herderich, Domkapitular
Ferdinand Kraus, Mellrichstadt
Thomas Lorey, Personalleiter
Rita Metzger, 1. Vorsitzende der MAV
Joachim Morgenroth, Dekan in Haßfurt
Christian Müssig, Pfarrer in Würzburg-Heidingsfeld
Dietrich Seidel, Domkapitular, stellvertretender Generalvikar
Albrecht Siedler, stellvertretender Finanzdirektor
(Richten Sie Ihre Stellungnahme bitte per Post an das Generalvikariat beziehungsweise über E-Mail an Generalvikariat@bistum-wuerzburg.de.)
(0507/0195; E-Mail voraus)